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Was ist Reitkunst?

Von Steffi Gottschalk, April 2023

Reitkunst - die Kunst der Reiterei

Reitkunst - ein wunderschöner Begriff. Noch schöner mutet er an, wenn das Pferd - nach Reitkunst-Grundsätzen ausgebildet - unter seinem Reiter in voller Pracht erstrahlt. Aber Reitkunst kann noch mehr: vor allem ist es der gesunderhaltende Aspekt, der diese Art des Reitens für jedermann interessant und erstrebenswert machen sollte. 

Aber was genau bedeutet denn nun „Reitkunst“? Und was ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Begriffen im Zusammenhang mit Reitkunst? In diesem Blog möchten wir folgende Bereiche der Reitkunst beleuchten: 

Die Anfänge der Reitkunst

Die ältesten Zeugnisse von Reitkunst lassen sich bis ins antike Griechenland zu Reitmeister Xenophon (um 400 v. Chr.) zurückverfolgen. Bereits Xenophon schrieb: 

  • „Die beste Belohnung ist immer, wenn du dein Pferd nach einer guten Leistung ausruhen lässt.“ 
  • „Die goldene Regel im Umgang mit Rössern ist, sich ihnen nie im Ärger zu nähern.” 

Über die Jahre hat sich der Begriff der Reitkunst weiterentwickelt, aber der damals gelegte Grundstein hat bis heute Gültigkeit und Bestand.

Reitkunst - die wichtigsten Aspekte

Das Pferd als Partner

Einer der wichtigsten Aspekte, welcher die Reitkunst damals und heute beflügelt, war und ist die Langlebigkeit des Reitpferdes. Denn: Pferde waren einst ein wertvolles und teures Gut. 

Dieser Wert bezog sich auf Zweierlei. Zunächst: Ein Pferd hat viel Geld gekostet. Nur wenige Menschen konnten sich solch ein kostspieliges Tier anschaffen oder es gar unterhalten. Besaß man also ein Pferd, verstand es sich von selbst, dass dieses möglichst lange gesund bleiben musste. 

Und zum Anderen: Das Pferd war über Jahrhunderte entscheidender Bestandteil bei kriegerischen Auseinandersetzungen. Auch auf langen beschwerlichen Reisen war das Pferd mehr als nur Transportmittel. Das Pferd war ein echter Partner für seinen Reiter. Im Krieg und auf Reisen mussten Mensch und Pferd sich aufeinander verlassen können. Reiten diente nicht dem Selbstzweck - sondern war Mittel zum Zweck. 


ZITAT

In training horses, one trains himself.

Antoine de Pluvinel



Die Maxime: gesunderhaltendes Reiten

Das gesunderhaltende Reiten erfolgte durch angemessenes, schonendes Training unter Beachtung der biomechanischen Grundsätze. Pferde werden viel später und mit wesentlich mehr Zeit als ausgebildet. Ein Pferd, welches im Sinne der Reitkunst ausgebildet wird, steht mit 14 Jahren in der Blüte seines Reitpferdelebens.

Der Charakter ist entscheidend

Jedes Pferd hat seinen eigenen Charakter. Es hat Stärken und Schwächen, Vorlieben und Dinge, die es weniger gerne leisten mag. Diese Charakterzüge möchte der Reitkünstler nicht nur erkennen, er möchte sie bestärken und das Pferd ob seiner Vorlieben und seines Könnens einsetzen. 

So gibt es Reitkunspferde, die sich voll und ganz den Schulen über der Erde verschrieben haben. Sie lieben es, in die Lüfte zu steigen und Levaden und Kapriolen zum Besten zu geben. Der bedachte Reitkünstler wird jene Pferde in ihrer Vorliebe unterstützen und schonend dahingehend ausbilden.

Die Pädagogik des Reitkünstlers

Das Pferd ist ein Partner. Dieser Partner wird nicht unterworfen. Die Arbeit war und ist immer dahingehend gestaltet, eine freundliche, entspannte Atmosphäre entstehen zu lassen. Diese ermöglicht eine freudige Zusammenarbeit zwischen Reitkünstler und Pferd. 

Das Pferd in der Reitkunst soll optimal in Szene gesetzt werden. Dem Reiter bleibt eine untergeordnete, unauffällige gute Figur zu machen, während er das Pferd mit unsichtbaren Hilfen steuert.

Für den Reiter bedeutet dies eine beständige Reflexion seiner selbst sowie eine besonnene, friedliche und stets konzentrierte Geisteshaltung.

Die Kunst und das Praktische

Die Reitkunst diente damals vor allem zur Ausbildung und zum Training der Kriegspferde. Damals - und auch heute - stand die Reitkunst im Spannungsfeld zwischen Kunst und Praxis. 

Das Pferd selbst war und ist im Sinne der Reitkunst ein „Kunstobjekt“. Es ist da - um seiner selbst Willen. Heute mag diese Betrachtung auch unter den Aspekt der „Freizeitreiterei“ fallen. 

Ein anderer Ansatz in diesem Zusammenhang ist die „angewandte Reitkunst“. Dies ist die Bezeichnung, die wir in der Fürstlichen Hofreitschule Bückeburg für unser Verständnis der Reitkunst verwenden. Die Lektionen, die ein Pferd in seinem Leben lernt, sollen praktische Anwendung finden: im Waffengarten, beim Ringstechen, bei der Arbeit mit der Garrocha - und vielem mehr.

Die unterschiedlichen Strömungen in der Reitkunst

Jeder, der sich bereits einmal mit der „Reitkunst“ beschäftigt hat, wird auf unterschiedliche Begrifflichkeiten gestoßen sein. Auch wenn die Grundidee nicht ganz unähnlich ist, so gibt es doch kleine Unterschiede innerhalb der Reitkunst.

Die Barocke Reitkunst

Die barocke Reitkunst hat sich der Wiederbelebungen der Reitkunst des 16. bis 18. Jahrhunderts verschrieben. Ihre Lektionen sind Veredlungen der im Krieg zu Pferd benötigten Reitmanöver. Sie fällt in die Kategorie der „angewandten Reiterei“. Wir in der Fürstlichen Hofreitschule Bückeburg folgen den Grundsätzen der barocken Reitkunst, genauer folgen wir den Meistern aus der Zeit der „Alten Italienischen Schule.“

Reitmeister der barocken Reitkunst

Die Reitmeister dieser Zeit waren zahlreich. Wir möchten hier nur paar wichtige Namen nennen: Federigo Griso (Italiener), Antoine de Pluvinel und De la Guériniere (Franzosen) oder Manoel Carlos de Andrade (Portugiese).

Die barocke Reitkunst umfasst die Grundgangarten, kennt aber keine Gangverstärkungen. Sie wird unterteilt in die Schulen auf der Erde und die Schulen über der Erde.

Die Schulen auf der Erde sind:

  • Seitengänge
  • Galopppirouetten
  • Fliegende Galoppwechsel
  • Passade
  • Piaffe
  • Passage

Die Schulen über der Erde sind:

  • Terre-à-terre
  • Mezair
  • Courbette
  • Kapriole
  • Ballotade
  • Croupade
  • Pesade
  • Levade

Die Klassische Reitkunst

Die „Klassische Reitkunst“ ist deutlich jünger. Unter diesem Begriff versteht man die mitteleuropäische Reitkultur des 19. bis 21. Jahrhunderts. Ihre Lektionen setzen sich aus Lektionen der barocken Reitkunst und später entwickelten Kunstgangarten zusammen.

Die bekanntesten öffentlichen Stätten der klassischen Reitkunst sind die Spanische Hofreitschule (Wien), die Ecole Nationale d’Equitation (Saumur) und das Reitinstitut Egon von Neindorff in Karlsruhe.

Die Doma Clásica

Die spanische Reitkunst ist der klassischen Reitkunst sehr ähnlich, zeigt aber zusätzlich folkloristische Elemente. So zeigen Pferde, die in der Doma Clásica ausgebildet sind, beispielsweise auch den Spanischen Schritt.

Speziell die portugiesische Reitkunst umfasst auch typische Elemente der barocken Reitkunst. In ihr findet sich beispielsweise das Terre à Terre. Wer die Doma Clásica erleben möchte, reist am besten in die Königlich-Andalusische Reitschule in Jerez de la Frontera nach Spanien.

Die Akademische Reitkunst

Die akademische Reitkunst ist eine Interpretation verschiedener Lehren alter Reitmeister aus früheren Jahrhunderten. Kopf und Herz der Akademischen Reitkunst ist der „Erfinder“ Bent Branderup. Er ist das Gesicht dieser Bewegung innerhalb der „Reitkunst“.

Reitkunst in der Fürstlichen Hofreitschule Bückeburg

Die Fürstliche Hofreitschule lädt all jene, die sich für gesunderhaltendes Reiten und einen liebevollen und klugen Umgang mit Pferden interessieren, ganz herzlich in unser historisches Reithaus nach Bückeburg ein. Wir bieten dem wissensdurstigen Pferdemenschen:

Unser Ziel: Wir möchten „das Gute Reiten in die Welt tragen“. Wir setzen auf den Austausch mit unseren Besuchern. Sie haben eine Frage oder eine Beobachtung? Sie möchten wissen, warum wir so arbeiten, wie wir arbeiten? Sprechen Sie uns an! Nach unseren Vorführungen oder während der Seminare und Workshops stehen unsere Bereiter allen Gästen gerne für Gespräche zur Verfügung.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!