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Beispielhaft präsentieren wir Ihnen einen Beitrag aus dem Magazin REITKULTUR:
Text: ANA SPRINGFELDT für das Magazin REITKULTUR
„Wir bieten dem Pferd fortwährend Abrüstung an“
Mit dem Mut der Ritter, der Energie der Westernreiter und der Zähigkeit der Berberkrieger streitet das Ehepaar Krischke für klassische Ausbildung aller Pferderassen von Bosal bis Stange und benennt Irrtümer der konventionellen Reitlehre. Ein Besuch bei den Nonkonformisten in der Fürstlichen Hofreitschule Bückeburg – und ein Blick in die Welt ihrer Zäumungen.
„Lasst uns gemeinsam die Säue der konventionellen Reiterei durchs Dorf treiben!“ Die Direktorin Deutschlands einziger Hofreitschule geht es frontal an, verbiegt sich nicht in diplomatischen Höflichkeiten, wenn es um das Wohl der Pferde geht. Dafür liebt Christin Krischke die Pferde zu sehr. Ihr Mann, Hofreitmeister Wolfgang Krischke, sagt: „Wenn man mit diesen hochsensiblen Tieren so lange zusammenlebt und arbeitet wie wir, bekommt der Umgang mit ihnen eine spirituelle Dimension, und dann kann man nicht mehr so handeln, wie zuvor gewohnt, nur weil es eben immer so gemacht wurde.“
Der Berufsreiter weiß, wovon er spricht, denn mit seinem biografischen Background kann er die Reiterszene aus vielen Sätteln heraus beurteilen: 1988 Europameister Junior Cutting mit Quarterhorse Hengst Leo San Frost, den er aus Kanada importiert hatte. Zuvor der damals übliche ganz normale Weg; Unterricht im ländlichen Reitverein, mit 16 das erste eigene Pferd, Springturniere mit Hannoveraner Stute Fünckchen. „Doch bald befriedigte mich diese Art der Reiterei nicht mehr“, erinnert sich Krischke, „und ich hoffte, im Westernreiten eine andere, pferdefreundlichere Reitweise zu finden.“ Auch das war typisch 1985, als Wolfgang Krischke Mitte 20 war und sein dickes Pony Bronco erfolgreich durch Cutting-Turniere steuerte, „gegen Quarterhorses“, betont Krischke, denn das war schon damals nicht selbstverständlich.
Mit Quarterhengst Leo und dem Europameister-Titel war der Profi schließlich angekommen, wovon andere träumen. Trotzdem spürte er, dass da noch mehr sein musste in der Beziehung zwischen Pferd und Mensch, eine weitere Dimension, eine Art Heiliger Gral, der die Verständigung zwischen beiden Wesen auf einer zwangfreien Basis ermöglicht. Die Freude am Miteinander sollte zu Verschmelzung und nie geahnten gemeinsamen Leistungen führen. Die Suche ging weiter.
Zurück in die Gegenwart. Bückeburg 2020, die Szene scheint aus der Zeit gefallen. Der Schlosspark im letzten Licht des Frühlingsabends, auf der alten Steinbrücke steht ein Mann mit schneeweißem Hengst am Zügel. Das Paar strahlt Ruhe aus, für den Moment ineinander versunken. Dann wenden sie sich auf einen baumbestandenen Pfad, und wie von selbst erhebt sich der Lipizzaner zur Levade. Hofreitmeister Wolfgang Krischke und Maestoso Amata verkörpern, was der ehemalige Westernreiter vor gut 30 Jahren suchte.
Damals, kurz nach dem Gewinn der Europameisterschaft, kam seine spätere Ehefrau Christin zu Krischke auf die Eagle Free Ranch, die Wolfgang Krischke im niedersächsischen Staaken mit einem Partner betrieb. „Ich hatte nach dem Abitur meinen Traumberuf angefangen als Stewardess zu arbeiten gefunden“, so Christin Krischke, „und konnte mir endlich den Traum vom eigenen Pferd erfüllen.“ Auf der Ranch kaufte sie von Wolfgang den Shagya-Araber Marsuk, ließ ihn zur weiteren Ausbildung dort und pendelte regelmäßig zum Unterricht von Berlin nach Hannover. „Das ging zwei Jahre, bis ich 1990 den Job bei der Airline kündigte und mich den Pferden widmete“, erzählt sie. „Da waren Wolfgang und ich schon längst ein Paar.“ Von da an suchten sie zu zweit nach dem Geheimnis einer besseren Verständigung mit den Pferden. „Wir hatten die Vision von etwas, das wir damals ‚alternative Reitkunst‘ nannten“, erinnert sich Christin Krischke. Zur selben Zeit erschien Richard Hinrichs’ Buch „Pferde. Tänzer an leichter Hand“, und „das entsprach schon deutlich dem, was wir vor Augen hatten“, beschreibt die Hofreitschul-Direktorin die Aufbruchstimmung jener Epoche, in der die barocke Reitweise in Deutschland noch völlig unbekannt war. Das Paar nahm Unterricht bei Hinrichs und nahm Impulse mit für die Suche nach dem eigenen Weg.
Dass dieser sehr individuell sein kann und nicht starren Regeln eines Systems folgt, ist Christin Krischkes Markenzeichen. In der historischen Rundhalle, die direkt ins Reithaus führt, spielt sie mit Lusitanohengst Halcon. Hinlegen, eine Runde Wälzen und auch ein Leckerchen gehören dazu. Ernste Klassik hin oder her. „Ich bin dafür zuständig, die Pferde seelisch aufzubauen, ihnen Vertrauen und Selbstbewusstsein zu vermitteln.“ Das lernte sie bei der jahrzehntelangen Arbeit mit Importpferden aus dem Süden, die durch eine harte Schule gegangen waren.
Stichwort Importpferde: 1990 kam es zur Initialzündung – das Ehepaar Krischke traf auf Berberpferde. Christin Krischke: „Weil das Westernreiten uns nicht mehr genügte, fuhren wir nach Südfrankreich, um iberische Pferde kennenzulernen. Spanien war wegen der Pferdepest damals noch gesperrt, also wollten wir uns in Frankreich Andalusier anschauen. Die waren toll, aber verliebt haben wir uns spontan in das Berberpferd.“ War es Zufall, war es Glück? Krischkes lernten einen Geschäftsmann aus dem Elsass kennen, der Handel mit dem damals sozialistischen Algerien betrieb. Sein Problem war, dass die Algerier nicht mit Devisen zahlen wollten, sondern mit Pferden.
So fanden mehr als 100 Pferde ihren Weg aus Nordafrika auf den Fachwerkhof der Krischkes in Warmsen bei Nienburg an der Weser. „Diese Pferde wurden von Menschen gekauft, die wir als Genussreiter bezeichnen“, sagt Christin Krischke. „Menschen, die sich auf dem Pferd einfach wohl und sicher fühlen möchten, ohne schweißtreibenden Kraftaufwand.“ Auch Pferde aus Marokko und Tunesien kamen dazu. Christin Krischkes Augen glänzen, als sie von Raisulih el Hadi erzählt: „Er war der erste Berber, der in Deutschland geboren wurde. Heute ist er 28 Jahre alt und lebt mit uns hier in Bückeburg. Ohne ihn und seine Beharrlichkeit uns seine Begabungen aufzuzeigen, gäbe es die Hofreitschule wahrscheinlich nicht.“
Schnell wurde klar, dass diese Pferde Berberpferde eine andere Herangehensweise brauchten als ein Western- oder Warmblutpferd. Wieder waren Krischkes gefordert, einen Weg zu finden, der diesen Pferden bei der Entfaltung ihrer Möglichkeiten hilft, frei von Zwang und Unterdrückung. Christin Krischke erläutert den Hintergrund: „In Nordafrika werden die Pferde mit einer sogenannten Ringkandare geritten worden. Das ist eine Kandare mit Spaten auf der Zunge, statt einer Kinnkette wird das Kinn beim Aufzäumen durch einen Metallring gesteckt, der am oberen Rande des Spatens befestigt ist. Davor hatten die Pferde große Angst, eine vertrauensvolle Verbindung zur Reiterhand war nicht möglich.“
Wolfgang Krischke ging es darum, den Pferden die Angst zu nehmen. Er griff zunächst zu den ihm bekannten Westerngebissen wie Snaffle-with-Shanks, Kimblewick oder Linda-Tellington-Jones-Gebiss, doch die Berber forderten seinen Forschergeist heraus. „Sie haben ein derart anderes Potenzial als die uns bis daher bekannten Pferde. Dank ihres Körperbaus, Bewegungsablaufs und Charakters sind diese Pferde für etwas prädestiniert, was in Vergessenheit geraten war, nämlich die hohe Reitkunst der alten Meister.“
Diese Art zu reiten war im Schlund der Geschichte verschwunden, existierte bestenfalls noch auf Stichen und Gemälden. Und in alten Büchern! So kam es, dass Wolfgang Krischke uralte Werke zu studieren begann. „Die Bücher Pluvinels lagen zu der Zeit nur in Französisch vor. Es war anfangs mehr als mühselig, sie zu lesen und zu verstehen.“ Doch Krischkes waren fündig geworden und hatten Lunte gerochen: Wort für Wort fanden sie in alten Werken eine Anleitung, die ihnen half, ihre Pferde zur Blüte ihrer Fähigkeiten zu führen. Wer heute in Bückeburg das mit Liebe fürs Detail ausgestattete Wohnzimmer betritt, staunt über eine imposante Bibliothek historischer Reitliteratur.
Auf dem schweren Holztisch brennen Kerzen, dicke Bücher liegen aufgeschlagen davor, hier studiert das Ehepaar noch heute die historischen Lehren. „Aber auch im Museum haben wir ein Studierzimmer eingerichtet, wo Interessierte in einer umfangreichen Bibliothek diese Werke lesen können“, betont Direktorin Krischke. Interessant ist, dass zeitgleich, aber unabhängig von den Bückeburgern auch der Däne Bent Branderup den Franzosen Pluvinel entdeckte und Pferde danach zu schulen begann (siehe seine Ausbildungs- und Gebissphilosophie auf Seite xx). Es entstand ein geistiger Austausch und freundschaftlicher Kontakt, der bis heute anhält.
Dank der authentischen Pferdeausbildung samt historischer Ausrüstung und Kostüme, begannen Anfang der 1990-er Jahre die öffentlichen Auftritte der Krischkes. Acht Jahre tourten sie für das Mittelalterliche Phantasie Spectaculum mit einem 40-köpfigen Team durch Deutschland. Acht Jahre Ritterturniere und Theaterstücke zu Pferd begeisterten weite Kreise für diese reiterliche Kultur. Doch der Wunsch wurde stärker, die Schönheit dieser Reitkunst nicht mehr auf modernen Turnierplätzen und Messen vorzuführen, sondern in adäquatem historischen Rahmen zu präsentieren. „Wir wollten dieser Kunst eine Heimat bieten und sie mehr interessierten Menschen zugänglich machen“, so Christin Krischke.
Als Zwischenstation wurde man von 2000 bis 2003 in der Lehr- und Schaufalknerei Falkenhof im Wisentgehege in Springe sesshaft. „Täglich zwei Auftritte mit den Greifvögeln“, erinnert sich Wolfgang Krischke und lacht. Er, der von Jugend an Falknerei betrieben hat, war hier in seinem Element, doch: „Die Pferde und die Reitkunst blieben Herzensangelegenheit.“ Zwei Bewerbungen schrieb Christin Krischke an die fürstliche Verwaltung Hofkammer zu Bückeburg, um die historische Hofreitschule zu übernehmen. Die erste blieb unbeantwortet. „In den Gebäuden war seit 1960 ein Reiterverein ansässig, erst als der die Anlage verließ, bekamen wir die ersehnte Zusage.“
Das war Ende 2003 2004. Ab Januar 2004 wurde renoviert und im Mai eröffnet. Die Wiederbelebung der historischen Hofreitschule im Schlosspark zu Bückeburg setzte eine Tradition fort, die 1598 mit dem ersten überlieferten Zeugnis von Pferden auf Schloss Bückeburg begann. Zwischen 1609 und 1622 entstanden unter Graf Ernst zu Holstein-Schaumburg Marstall und Ballhaus (eine Art Palast für das damals populäre „Jeu de Paume“, dem Vorläufer von Tennis). 1720 hielt Graf Friedrich Christian 89 Hengste im Marstall und hielt engen Kontakt zur Spanischen Hofreitschule. Bückeburger Hengste zogen nach Wien und wurden dort als Schulhengste ausgebildet; einige brachten ihre Gene auch in die Lipizzanerzucht ein.
1764 brachte Graf Wilhelm Pferde als Geschenke des portugiesischen Königs nach Bückeburg, die er zum Dank für den siegreichen Feldzug gegen Spanien erhielt, mit dem er Portugals Unabhängigkeit gerettet hatte rettete. Er holte aber auch Andalusier und Berber aus Spanien und Nordafrika nach Bückeburg. Seine Leibgarde, die „Schwarzen Teufel von Bückeburg“, war eine bis zu 180 Mann starke Truppe, die ausschließlich auf schwarzen Ibererhengsten beritten war. 1798 wurde das Ballhaus zum Reithaus umgebaut, als das noch heute genutzt wird. Die Bückeburger Pferdezucht existierte bis ins 20. Jahrhundert, in den 1950-ern standen noch die Pferde des Fürsten auf der Anlage. Dann folgte der Bückeburger Reitverein, der sich 2003 auflöste.
Heute stehen im lebendigen Museum wieder Hengste jeder Rasse der alten Reitkunst. Eine Arche Noah der Barockpferderassen, wenn man davon absieht, dass nur männliche Exemplare anwesend sind. Direktorin Christin Krischke betont: „Dank des Museums sind wir finanziell unabhängig und in der Lage, Pferde nur entsprechend unseres Gewissens auszubilden.“ Diese Freiheit ermöglicht ihr, dass sie kein Blatt vor den Mund nehmen muss, wenn es um ihre Überzeugungen geht. Und Hofreitmeister Wolfgang Krischke kann seine Forschung betreiben und anhand der Schriften alter Meister Pferde ausbilden „egal wie lange es dauert“.
„Es ist ein großer Irrweg, dass im 20. und 21. Jahrhundert die herrschende Reitlehre nicht kritisch hinterfragt wird“, bedauert Christin Krischke, „Dinge werden einfach als gegeben akzeptiert, weil das halt seit Jahrzehnten so gemacht wird. Niemand fragt, ob es den Pferden Schaden zufügt oder gar Schmerzen bereitet. Hätten Pferde einen Schmerzlaut, wie etwa Hunde, gäbe es den Reitsport in der heutigen Form nicht.“ Familie Krischke sieht es als Aufgabe, hier einzugreifen, mit klaren Worten, einer klaren Botschaft und dem Einsatz von Intelligenz und Wissen. Fundament ist das historisch überlieferte, lange verschüttete Wissen der alten Meister, aber auch moderne Lerntheorie und Horsemanship. Hier greift eines ins andere. Beispiel Gebiss: „Wir können dem Pferd das Gebiss erklären“, sagt Wolfgang Krischke, „es versteht dessen Funktion, wenn es spürt, welche Haltung angenehm ist. Es geht darum, das Gewünschte leicht und angenehm zu machen, dann ist Zwang überflüssig.“ Wie das funktioniert, erklärt Tochter Diana Krischke, studierte Pferdewissenschaftlerin, auf Seite xx.
Stiefmutter Mutter Christin Krischke wiederum ergänzt: „Das Pferd soll wählen dürfen, aber auch der Mensch. Für uns und unsere Hofbereiter ist Reiten immer Genussreiten. Und ein Genuss kann Reiten nur sein, wenn auch das Pferd genießt. Durch Verständnis, niemals durch Zwang. Das erreicht man nur, wenn man die vorgegebenen Dogmen der konventionellen Reitlehre kritisch in Frage stellt.“ Auf ihrem langen Ritt durch die Geschichte der Reitkunst hat Christin Krischke Erkenntnisse über die Pferdeausbildung gewonnen, die sie in ihrem Buch „Du entscheidest“ zusammengefasst hat. Es erfuhr weite Resonanz, auch Kritik von Gegnern wie Getroffenen und liegt nun in zweiter Auflage vor. Mit der Kritik geht die Autorin entspannt um. „Es war ja gerade meine Absicht, eine Diskussion in Gang zu setzen, zum Nachdenken anzuregen. Genau das hilft den Pferden.“
ReitKultur: Das Bosal nimmt in der Fürstlichen Hofreitschule einen hohen Stellenwert ein. Warum?
Christine Krischke: Weil es historisch korrekt ist. Im 16. und 17. Jahrhundert waren in Europa verschiedene gebisslose Zäumungen in der Pferdeausbildung im Einsatz, die man Nasband nannte. Da gab es das Im Unterschied zum Cavecon, bei welchem die Zügel links und rechts am Nasenrücken angebracht sind, wirkt das Nasband und eine weitere gebisslose Zäumung, die heute in Vergessenheit geraten ist und seitlich am Unterkiefer einwirkt. Das Dieses Nasband gelangte mit den Conquistadoren nach Amerika und wurde in Mexiko im 16. Jahrhundert zum Bosal weiterentwickelt. Uns fiel die Entscheidung leicht, denn das Das Bosal wird außerdem von den Pferden hervorragend angenommen: In Feldversuchen mit Cavecon, Nasband und Bosal haben wir festgestellt, dass 80 Prozent der Pferde die Hilfengebung am Bosal bevorzugen, also schnell verstehen und ohne Unmut umsetzen. Das erste Bosal in der Ausbildung ist recht fest und dick. Es vermittelt die Zügelhilfen sehr deutlich. Im Laufe der Schulung bieten wir man dem Pferd fortwährend „Abrüstung“ an, wählen wählt in bis zu fünf Stufen immer dünnere und vor allem weichere Bosals, bis man letztlich beim sogenannten Pencilbosal (auch Bosalito genannt) ankommt, das nur 1/8 Inch dick und so flexibel, dass man einen Knoten hinein machen kann.
In welcher Folge setzen Sie Gebiss und Zaum in der Jungpferdeausbildung ein?
Von Anfang an legen wir dem Pferd ein stangenförmiges Gebissstück ins Maul, zunächst ohne Zügel. Um ein Schlackern der Kandarenbäume beim Laufen zu vermeiden, ist das erste Gebiss ohne Seitenbäume, also vorzugsweise ein Bauchergebiss mit Mullmouth-Mundstück. Wann an das Gebissstück Zügel angebracht werden, hängt einerseits vom Zahnzustand des Jungpferdes ab und andererseits davon, ob sich bei der Schulung bestimmter, hohe Rumpfanhebung erfordernder Lektionen ein Kopfschlagen zu entwickeln droht. Bei Galopppirouetten zum Beispiel versuchen es sich viele Pferde leichter zu machen, indem sie mit Kopf und Hals Schwung holen. In solchen Situationen empfiehlt es sich, eine weiche Anlehnung am Gebiss zu Hilfe zu nehmen, um dem Pferd die korrekte Bewegungsidee nahezubringen.
Reiten Sie junge Pferde mit vier Zügeln ein?
Nein, wir reiten Pferde mit den Zügeln am Bosal an. Das Gebiss hängt ohne Zügel im Maul.
Findet bei Ihnen in der Hofreitschule eine Wassertrense Anwendung?
Nein. Die einfach oder gar doppelt gebrochene Wassertrense kommt in der Hofreitschule seit fünf Jahren nicht mehr zum Einsatz. An ihre Stelle ist die Mullmouth-Bauchertrense getreten. Ein Stangengebiss.
Wann wird in der Hofreitschule auf Stange umgestellt und wird von da ab, wie etwa in Spanien, nur noch auf Kandare geritten?
Eine Stange ist keine Kandare. Eine Stange bezeichnet nur das Teil im Maul. Die Kandare ist ein Gebiss mit Hebelwirkung und Kinnkette. Unsere Pferde haben von Anfang an eine Stange im Maul. Je nachdem, wieviel Hilfestellung ein Pferd aufgrund körperlicher Handicaps bei den Lektionen der Hohen Schule benötigt, wird die Baucherstange durch eine Kandare ersetzt. Unterschied: Die Baucherstange darf man (auch mit zwei Händen) anfassen, dem Pferd auch über Sekunden des Kontakts hinweg eine Form und Stellung geben. Eine Kandare darf immer nur einhändig geführt und nur impulsartig eingesetzt werden.
Reiten Sie zwischendurch auch auf Trense, wie in der klassisch-deutschen Reiterei üblich?
Wenn Sie damit eine gebrochene Wassertrense meinen: Nein.
Wie stellen Sie bereits auf Trense ausgebildete Pferde um, die Sie übernehmen?
Wenn ich ein verrittenes Pferd wieder an intelligente Zügelhilfen gewöhnen will, muss ich einen Zaumwechsel vornehmen, sonst mache ich es uns beiden unnötig schwer. Einstein sagt, man kann ein Problem nicht mit denselben Mitteln lösen, durch die es entstanden ist. Also gehe ich zu einer gebisslosen Zäumung oder zu einer Stange, mit oder ohne Hebelwirkung, über.
Was halten Sie vom Reiten auf Trense?
Wir sind absolut keine Freunde der Trense! Die gebrochene Trense hat einige unangenehme Nebenwirkungen für das Pferd: Die Verbindungsstelle der beiden Teile liegt mit einem dünnen Ring auf der Zunge. Bei Stellung oder Biegung Schon sobald ich als Reiter meine, eine leichte Stellung herzustellen, rutscht das dieses Gelenk sehr leicht immer auf einen der Laden, und agiert dort sehr wirkungsvoll, nicht selten schmerzhaft wenn man nicht aufpasst. Liegt das Gelenk tatsächlich einmal mittig im Maul und der Reiter stellt Kontakt her, formt sich die Zunge rund im Versuch, das Gebiss von den empfindlichen Laden wegzuschieben und wird in den durch Abknicken im Gelenk entstandenen Hohlraum gedrückt. Die Zunge kann die Laden nicht mehr polstern und jede Parade geht direkt auf die Laden. Und die Hilfengebung mit der asymmetrisch gebauten Trense ist für das Pferd wesentlich weniger schnell zu begreifen, als mit einem Stangenmundstück.
Reiten Sie mitunter auch beidhändig mit zwei Zügeln?
Mit der Baucherstange ja, wenn das dem Pferd angenehmer oder besser verständlich ist. Erfahrungsgemäß sind es etwa nur fünf Prozent der Pferde, die dauerhaft gerne mit einem Gebiss ohne Hebelwirkung gehen.