Über Reitkunst und Pferdewürde
Alles hat seine Hintergründe. Die in Bückeburg gelebte, besonnene Reitkultur lässt sich in Schriftstücken bis in vorchristliche Zeit zurückverfolgen. In die Moderne übertragen, liest sie sich wie eine Liebeserklärung an das Pferd. In der Fürstlichen Hofreitschule bestimmt nicht der menschliche Ehrgeiz den Alltag in der Ausbildung von Pferden und Menschen, sondern das Wissen der alten Meister. Die Hofbereiter sind immer sehr offen anderen Reitweisen gegenüber und vertreten und praktizieren die Auffassung, dass man überall etwas lernen kann – denn “Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann” (Francis Picabia).
Kulturgut Pferd
Vieles Wesentliche unterscheidet die heutige Reiterei von der historischen Reitkunst und die Geschichte der Menschheit wäre ohne das Pferd komplett anders verlaufen.
Heute ist das Reiten hautptsächlich ein Freizeitvergnügen, doch in den letzten sechs Jahrtausenden gab es niemanden, der ein Pferd ausschließlich zum Spaß hielt oder ritt. Pferde waren Gebrauchstiere und arbeiteten hart um ihre Menschen und deren Güter von hier nach dort zu transportieren, die Felder zu bestellen und die ersten Maschinen zu betreiben.
Ihre wichtigste Rolle bestand jedoch in der entscheidenden Mitwirkung an jeglicher kriegerischen Auseinandersetzung, bei den großen Eroberungszügen von der Antike übers Mittelalter bis ins vergangene Jahrhundert.
Freund Pferd
Wer gut reiten konnte, hatte jahrtausendelang einen großen Überlebensvorteil und die Kunst zu Reiten entwickelte sich an mehreren Orten der Welt parallel zu größter Blüte. In Europa waren es vornehmlich die Adeligen, welche mitunter jahrzehntelang die Kriegs- und Reitkunst an Reitakademien (privat oder staatlich finanziert) oder an Hofreitschulen (an Adelshöfen unterhalten) studierten.
Damals wurden Pferde nicht nur als Lebensretter, als Prestigeobjekte und als Waffen gebraucht, sondern waren höchst geschätzte Freunde, denen man alles für ein langes und gesundes Leben darbrachte. Nicht selten wurden die Pferde 30 Jahre alt.
Wussten Sie, dass Deutschlands einzige Hofreitschule eine Privatinitiative ist?
In der modernen Kulturlandschaft Deutschlands mutet es verwegen, um nicht zu sagen, lebensmüde an, eine derart große, nicht lukrative Kultureinrichtung ohne Unterstützung oder Fördergelder zu unterhalten. Die Hofbereiter vertrauen sich voll und ganz den Besuchern und Tagesgästen an, aus deren Eintrittsgeldern sich die Fürstliche Hofreitschule zu 100 Prozent finanziert. Fragt man die Initiatoren und Mitwirkenden nach ihren Motiven, umwölkt sich deren Gesichtsausdruck und sie sprechen von “jenem einzigartigen Kulturerbe“, welches nur darauf gewartet habe, an einem authentischen Ort wiederbelebt zu werden. Zum Einen haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, den Stellenwert des Pferdes in der kulturellen Entwicklung der Menschheit aufzuzeigen und die bewundernswerteste Blütezeit jener Verbindung wieder auferstehen zu lassen. Zum Anderen gilt ihr Bemühen der Erhaltung und Verbreitung der teilweise vom Aussterben bedrohten Reitkunstpferderassen. In der praktischen Umsetzung leben die Hofbereiter Tag für Tag eine intelligente und pferdefreundliche Reiterei, die weltweit ihresgleichen sucht. Im Studium alter Bücher extrahieren Sie Lektionen und Umsetzungstipps mit deren Hilfe sie eine Leuchtturmfunktion für alle Freizeitreiter Europas einnehmen.
Wo sonst kann man Tag für Tag die konsequent korrekte Verwendung gebissloser Zäumungen in der Vorbereitung für die ausschließlich einhändig geführte, später blanke Kandare beobachten? Oder wo wird in Wort und Praxis die anspruchsvolle Reiterei im Damensattel vermittelt? Unzählige weitere akribische Details machen die Hofreitschule zu dem einen Ort auf der Welt, wo man „derart viele Pferde in solch kultivierter Reiterei zu sehen bekommt.“ Vor und hinter den Kulissen Deutschlands einziger Hofreitschule geht es sanft, verständnisvoll und humorbetont zu: “Wer in 250 Vorführungen im Jahr einen hochmotivierten Partner an seiner Seite haben will, der darf zwischen Vorführung und Training keinen Unterschied machen.“ Die vielen jungen Menschen, die in der Hofreitschule das Reiten erlernen, geraten auch deshalb so wohl und reifen zu derart besonnenen, wahrhaftigen und teamfähigen Erwachsenen heran, weil sie ihren schutzbefohlenen Pferden mit Empathie, Freundlichkeit und kluger Pädagogik begegnen dürfen.